3. Alli, du setzt dich für die Rechte anderer Menschen, insbesondere von Mädchen, ein. Inwiefern hat Bildung deinen Aktivismus geprägt und beeinflusst?
Alli: Ein Lehrer von mir sammelte ehrenamtlich Spenden, mit denen er den Bau von Schulen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern unterstützte. Er ermutigte uns, uns mit kreativen Mittel an der Spendenaktion zu beteiligen. Er gab uns das Gefühl, dass unser Einsatz wichtig ist. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, nicht nur auf mich selbst zu achten, sondern auch auf andere – auch über mein direktes Umfeld hinaus. Dadurch habe ich angefangen globaler zu denken und mich mit Menschen weltweit verbunden zu fühlen. Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass ich alles werden kann, was ich will. Und das wünsche ich mir auch für andere Menschen.
4. Victoria, du hast die Organisation „One African Child“ gegründet, eine von jungen Menschen geführten NGO, die durch Globales Lernen und politische Bildung Ungleichheit im Bildungssektor bekämpfen will. Was sind deiner Meinung nach die drastischsten Auswirkungen von COVID-19 in ländlichen Regionen?
Victoria: Wir arbeiten in einigen der am stärksten benachteiligten Regionen, in einkommensschwachen Ländern, in denen es schon vor der Pandemie viele Kinder keinen Zugang zu Bildung hatten. Es gibt oft zu wenige Lehrerinnen und Lehrer, so dass im Durchschnitt auf 150 Schüler nur eine Lehrkraft kommt. Es fehlt an digitaler Infrastruktur und an Geräten. Da viele Familien durch die Pandemie ihre Arbeit verloren haben, verlassen viele Kinder die Schule, um ihre Eltern dabei zu unterstützen den Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Pandemie ist ein Aufruf zum Handeln. Regierungen und Menschen, die die Macht haben, die Investitionen in gute Bildung zu erhöhen, sollten dies nun tun.
5. Woran erinnert ihr euch zuerst, wenn ihr an eure Schulzeit zurückdenkt? Gab es bestimmte Momente oder Lehrer*innen, die einen besonderen Eindruck bei euch hinterlassen haben?
Alli: Lehrer*innen können einen großen Einfluss auf dich haben – sowohl negativ als auch positiv. Als ich sechs Jahre alt war, bin ich von Polen nach Deutschland gezogen, ohne die Sprache zu sprechen. Meine damalige Lehrerin sagte mir, dass ich es in Deutschland nicht schaffen würde. Sie meinte, dass meine Mutter mir auch nicht helfen könnte, weil sie ebenfalls kein Deutsch sprach, und dass Pol*innen besser Hilfsarbeiterjobs annehmen sollten. Aus diesem Grund hatte ich lange Zeit mit meiner polnischen Identität zu kämpfen. Aber ich habe auch positive Erfahrungen gemacht. Ich hatte einen Lehrer, der bemerkte, dass ich Musik machen wollte und erkannte, dass ich ein Talent dafür hatte. Er ermutigte mich, im Chor der Schule mitzumachen und bei Schulaufführungen zu singen. Er hat an mich geglaubt, und ich werde ihn immer in guter Erinnerung behalten.
Victoria: Meine Mutter hatte einen großen Einfluss auf mein Leben. Sie führte mir immer Beispiele erfolgreicher Frauen aus unserer Gemeinde vor Augen, auch wenn wir nicht viele davon hatten. Sie sagte so etwas wie: "Sie ist in der Lage, ihre Familie zu unterstützen. Wenn du eine Ausbildung hast, wirst du die Möglichkeit haben, zu träumen und unabhängig zu werden. Genau wie diese Frauen." Ich werde auch nie meinen Mathelehrer vergessen. Ich war schlecht in der Schule und er mir Mathe so beigebracht, dass es mir Spaß gemacht hat. Er nahm sich die Zeit, mich zu unterstützen.